ABARIS Angstambulanz ℠
Presse
Kosten der Angstgedanken – Profite der Versicherungen mit Angst und Panik
Märkische Allgemeine Zeitung
02.08.2001, Seite 33
Die Versicherungsgesellschaft
Die Redakteurin Dagmar Schwarzmeier von der "Märkischen Allgemeinen Zeitung" führte mit dem Diplom-Psychologen und Psychotherapeuten Dietmar Luchmann von der ABARIS Angstambulanz℠ in Stuttgart ein Interview, das unter dem Titel "Wenn der bloße Gedanke Panik auslöst" einen Themenschwerpunkt über "Die Versicherungsgesellschaft" in der Tageszeitung "Märkische Allgemeine Zeitung" ergänzt und in der Ausgabe vom 02.08.2001, S. 33, erstmals veröffentlicht wurde.
Die viel beschworene Vollkasko-Mentalität ist in Deutschland längst Realität: Das große Geschäft mit unserer Angst.
Von Ralf Schuler
Die Frau hat ihre Kataloge gleich mitgebracht
und lässt sich vom Verkäufer nichts vormachen: Sie kennt die Expertisen
der Stiftung Warentest, die Crash-Versuche des ADAC und jüngste Sicherheitsstudien
aus dem Fernsehen. Beim Kindersitz für den Sprössling gibt es keine Kompromisse,
ein bestimmtes Modell muss es sein, die Sitzschale gegen die Fahrtrichtung
natürlich, eine gesonderte Stahlstütze, die sich gegen den Fahrzeugboden
presst, ein spezieller Spanngurt vorn, verstärkte Seitenflanken für den
Kopf und patentiertes Verankerungssystem am hinteren Gurt... Die Reisemulde
für den Nachwuchs - ein mobiler Hochsicherheitstrakt.
Der Verkäufer
nimmt's gelassen [...]. Die Wahrscheinlichkeit, den Sicherheitsvorsprung
zwischen ihrem Spezial-Kindersitz und deutlich billigeren, ebenfalls sehr
guten Modellen des gehobenen Standards jemals nutzen zu können, meint der
Fachverkäufer, sei geringer als die Wahrscheinlichkeit, vom Blitz erschlagen
zu werden. Und zuckt gleichgültig mit den Schultern. Je weiter Geschäfte
den Bereich des Rationalen verlassen, desto lukrativer werden sie.
Die viel beschworene Vollkasko-Mentalität der Deutschen ist längst kein
Schlagwort mehr. Sie ist Realität. Von 24,6 Millionen Kfz-Versicherungen
hierzulande sind knapp die Hälfte (11,3 Millionen) Vollkasko-Policen. Nimmt
man die 3,4 Millionen Teilkasko-Kunden hinzu, so werden es deutlich mehr
Menschen, die mehr wollen als den nötigsten Schutz. Beim Berliner Gesamtverband
der deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sieht man das nicht ungern,
gerade weil in der Autosparte durch steigende Unfallzahlen bei den Versicherern
kaum Gewinne gemacht werden. Trotzdem darf GDV-Sprecher Siegfried Brockmann
sogar auf Zustimmung von den Verbraucherschützern rechnen, wenn er diesen
Umstand mit Verwunderung zur Kenntnis nimmt: Eine rationale Versicherungsstrategie
würde darauf abzielen, sich lediglich gegen den "größten annehmbaren
Unfall" (Gau) - das wären in diesem Falle kaum bezahlbare Personenschäden
- mit einer Haftpflichtversicherung abzusichern. Das Aufkommen für kleinere
Kratzer im Lack seien eher Luxus und kosteten zusätzlich Prämie. Doch die
Deutschen sind nicht so. 257,6 Milliarden Mark haben sie im Jahre 2000 für
Versicherungen ausgegeben. Tendenz steigend. Und die Bereitschaft, durch
Selbstbeteiligungen die Beiträge niedriger zu halten, sei erst langsam im
Kommen, weiß Brockmann. Der Stuttgarter Psychologe Dietmar Luchmann
(siehe Interview) erklärt das damit, dass viele Menschen "über das
natürliche Bedürfnis nach Verringerung von Unsicherheit hinaus versuchen,
in einer Welt, in der es keine absolute Sicherheit gibt, die Sehnsucht nach
100-prozentiger Sicherheit zu befriedigen".
Als Ursache für
dieses Streben sieht Luchmann einen partiellen Realitätsverlust. "Wir
haben nicht ausreichend gelernt, Verantwortung für uns zu übernehmen und
die Welt um uns herum realistisch zu betrachten. Zudem wecken Wirtschaft,
Politik und Religion den Wunsch nach absoluter Sicherheit durch Versprechen,
die nicht befriedigt werden können. Die Ausbeutung der aus dem Konflikt
zwischen Wunsch und Wirklichkeit resultierenden Angst war zu allen Zeiten
ein profitables Geschäft."
Wenn der bloße Gedanke Panik auslöst
Von Dagmar Schwarzmeier
Bis zu 30 Prozent der Menschen leiden im Laufe ihres Lebens an einer
Angsterkrankung. Dietmar Luchmann, Diplom-Psychologe und Psychotherapeut,
ist Leiter der Angstambulanz des ABARIS Instituts für Psychotherapie in
Stuttgart. Mit ihm sprach Dagmar Schwarzmeier.
Interview
Was ist Angst?
Luchmann: Angst ist ein wertvolles Gefühl,
das uns vor Gefahren schützt, indem es eine Flucht-oder-Kampf-Reaktion auslöst.
Es gibt eine biologisch vorgegebene Bereitschaft des Körpers, auf gewisse
Dinge mit Angst zu reagieren. Ebenso kann sich der Schmerz einer körperlichen
oder psychischen Verletzung so tief im Gedächtnis eingraben, dass allein
der Gedanke an eine Wiederholung Angst oder Panik auslöst. Bis zu 30 Prozent
der Menschen leiden im Verlaufe ihres Lebens wenigstens einmal an einer
behandlungsbedürftigen Angsterkrankung.
Welche Symptome sind typisch?
Luchmann: Es gibt eine ganze Reihe von Symptomen, die einzeln oder in
Kombination auftreten können. Dazu gehören Herzrasen, Schwindel , Schwitzen,
Zittern, weiche Knie, Atemnot, Erstickungs- oder Würgegefühle. Auch Kribbeln,
Seh- und Wahrnehmungsstörungen oder Magen-Darm-Beschwerden können auf Angst
zurückzuführen sein.
Wovor haben Gesunde Angst und wovor haben
Angstpatienten Angst?
Luchmann: Angst führt zu einer sinnvollen
Handlungssteuerung, wenn reale Gefahr droht. Es wäre töricht, ohne Not ein
Flugzeug zu benutzen, das nicht verkehrssicher ist. Krankhafte Angst unterscheidet
sich aber von rationaler Risikominimierung. Das normale Maß an Unsicherheit,
das nun mal zum Leben gehört, wird nicht hingenommen, sondern es erzeugt
eine extrem wirklichkeitsfremde Risikowahrnehmung. Wenn ein Erkrankter öfter
Panik erlebt hat, tritt zusätzlich die Angst vor der Angst hinzu.
Wie greift Angst in das Leben eines Menschen ein?
Luchmann:
Menschen meiden Situationen und Objekte, die sie zu fürchten gelernt haben.
Dieses in grauer Vorzeit biologisch sinnvolle Programm führt in der heute
technisch und sozial hoch komplexen Welt leicht zur Arbeits- und Handlungsunfähigkeit.
Der Erkrankte fürchtet sich immer mehr und die Angstgefühle beanspruchen
seine gesamte Aufmerksamkeit. Oft wird erst bei dieser totalen Selbstblockade
eine Angststörung erkannt.
Wie können Angstpatienten behandelt
werden?
Luchmann: Angst- und Panikstörungen gehören zu den am
besten behandelbaren psychischen Erkrankungen. Völlig ohne Medikamente sind
sie heute regelhaft in weniger als zwölf Stunden durch kognitive Verhaltenstherapie
erfolgreich zu beheben. Dabei wird das fehlerhafte Denken, das zu den Angst-Reaktionen
führt, aufgedeckt und verändert.
Das klingt sehr optimistisch.
Luchmann: Ja, das ist nach dem Stand der Wissenschaft möglich. Allerdings
ist die Kluft zur Versorgungsrealität extrem. Angstpatienten irren nach
Beginn ihrer Erkrankung durchschnittlich acht bis zehn Jahre durch das Gesundheitssystem,
bis sie endlich einen Therapeuten finden, der ihnen helfen kann.
Veröffentlicht am 02.08.2001.
Text aus:
Märkische
Allgemeine Zeitung, 02.08.2001, S. 33. Schwarzmeier, Dagmar: Wenn
der bloße Gedanke Panik auslöst. [Interview mit Psychotherapeut
Dietmar Luchmann.]
Vers. 2001.08.02: Kosten der Angstgedanken – Profite der Versicherungen mit Angst und Panik