ABARIS Angstambulanz ℠
Presse
Bürgerkrieg – Psychotherapie im Methoden- und Schulenstreit der Psychotherapeuten
Der Tagesspiegel
20.08.2004
Gesundheit: "Der Graben ist größer denn je"
Psychotherapeuten streiten darüber, welche Methode von der Kasse bezahlt werden soll
Von Bas Kast
Dieser Artikel des Wissenschaftsautors und Tagesspiegel-Redakteurs Bas Kast über den "Bürgerkrieg" im Methoden- und Schulenstreit der Psychotherapeuten wurde mit dem Titel "Gesundheit: 'Der Graben ist größer denn je'" in der in der Berliner Tageszeitung "Der Tagesspiegel", Rubrik Gesundheit, am 20.08.2004 veröffentlicht. Die Zeitung berichtete vom Ausstieg der ABARIS Angstambulanz℠ am ABARIS Institut für kognitive Psychotherapie, Verhaltenstherapie und Coaching in Stuttgart aus dem kranken Gesundheits- "System mit den mafiösen Strukturen", um den Phobikern und Angstkranken die bestmögliche Angsttherapie bieten zu können.
Das Wort "Bürgerkrieg" trifft die Situation vielleicht am besten,
sagt Dietmar Luchmann. Einst hatte der Diplom-Psychologe als Kassentherapeut
begonnen. Die Behandlung der Patienten wurde also von der Kasse bezahlt.
Mehr und mehr empfand der Mann "das System mit den mafiösen Strukturen"
als Zumutung. Deshalb stieg er aus.
Heute leitet Luchmann ein eigenes
Institut für Coaching und Psychotherapie (www.angstambulanz.de)
in Stuttgart. Seine Maxime ist: effiziente Behandlungen, begrenzt auf durchschnittlich
zehn Stunden — statt jahrelanger Therapien, "in denen die Therapeuten
ihre Klienten ausbeuten". Die Behandlung bringe nichts, außer den Status
quo des Therapeuten zu sichern.
Die Auseinandersetzung, von der Luchmann
spricht, findet in jener Berufsgruppe statt, von der man etwas anderes als
Streit um Berufspfründen erwarten würde. Denn gerade Psychotherapeuten sollten
in der Lage sein, menschliche Probleme mit Intelligenz zu lösen. Doch "der
Graben ist größer denn je", sagte der Psychologe Drew Westen (Emory-Universität,
Atlanta) jetzt auf dem Treffen der amerikanischen Gesellschaft für Psychologie. "Nie
waren gegenseitige Bitterkeit und Abscheu so groß."
Immer heftiger
werde der Kampf geführt, berichtet nun auch die "New York Times".
Dabei geht es darum, welche Richtung junge Therapeuten einschlagen und was
Kassen noch bezahlen werden. Am Ende, so die Zeitung am 10. August, stehe
das Schicksal der klassischen Psychotherapie auf dem Spiel.
Im Kern
dreht sich der Streit um die alte Frage: Wie wissenschaftlich muss Seelenhilfe
sein? Soll der Therapeut möglichst individuell vorgehen, seiner Intuition
folgend? Oder soll er nach einem wissenschaftlich überprüfbaren Standardverfahren
arbeiten?
Die einen sagen: Viele psychische Probleme sind zu komplex,
als dass sie sich mit Standardverfahren in den Griff bekommen ließen. Mag
ja sein, dass sich eine Spinnenphobie mit Hilfe einfacher, festgelegter
Schritte heilen lässt. Aber was ist mit schweren Depressionen, deren Ursache
auf ein Trauma in ferner Vergangenheit zurückzuführen ist?
Andere
halten dagegen: Wer so argumentiert, unterscheide sich nicht von einem Geistheiler. "Wenn
ein Pharmakonzern ein neues Medikament entwickelt, muss er beweisen, dass
es wirkt und sicher ist", sagt der Psychologe Rolf Degen, Autor eines "Lexikons
der Psycho-Irrtümer". "Warum sollte diese Qualitätsforderung für
die Psychotherapie eine Ausnahme machen?"
Kritisiert wird nicht
zuletzt das Gutachterverfahren, das die Krankenkassen bereits 1967 etabliert
haben, um die Wirksamkeit einer bestimmten Therapie beurteilen zu können. "Wie
ein Gott verlängern Psychotherapeuten beispielsweise die Behandlung, wenn
sie das für nötig halten", kritisiert Luchmann. So könnten sich Therapien
endlos hinziehen, ohne dass Wirkungen überprüft werden.
"Wir
bewerten das Gutachterverfahren als die derzeit beste Vorgehensweise",
sagt dagegen Gisela Borgmann, Präsidentin der Berliner Psychotherapeutenkammer. "Es
wäre allerdings eine sinnvolle Ergänzung, auch die Seite des Patienten zu
berücksichtigen."
Auf Letzteres pocht Psychotherapeut Luchmann: "Der
Patient müsste vor Therapiebeginn und weiter alle fünf Sitzungen einen Fragebogen
ausfüllen, in dem er seine Befindlichkeit beschreibt." Die Informationen
müssten direkt an die Krankenkasse geschickt werden, damit diese auf Grund
der Daten entscheiden könne, für welche Therapie sich die Kostenerstattung
lohnt und für welche nicht.
Die Techniker Krankenkasse hat nun ein
Modellprojekt ins Auge gefasst. An 600 Therapeuten und 3000 Patienten soll
erstmals eine Qualitätssicherung erprobt werden. Tests sollen helfen, den
Fortschritt der Behandlung zu beurteilen. Der Starttermin soll Ende 2004
sein.
Derzeit übernehmen die Kassen in Deutschland nur die Kosten
für Psychoanalyse und Verhaltenstherapie — ein Umstand, der Therapeuten
anderer Couleur zur Weißglut bringt. Denn die Wirksamkeit beider Therapieansätze
ist nicht wissenschaftlich stichhaltig erwiesen.
Vielleicht entscheidet
am Ende gar nicht die Therapierichtung über den Behandlungserfolg, sondern
eher die Kompetenz des einzelnen Therapeuten. Zu diesem Schluss kommt zumindest
der Psychologe Bruce Wampold (Universität von Wisconsin, Madison), nachdem
er die Daten von 12000 Patienten analysiert hatte. Die meisten litten an
Depressionen. Sie waren mit unterschiedlichen Therapien behandelt worden.
Wie sich zeigte, gab es quer durch die diversen Schulen Therapeuten,
die ihren Patienten helfen konnten, während dies anderen nicht gelang. "Entscheidend
ist nicht die Richtung der Behandlung, sondern wie kompetent derjenige ist,
der behandelt", lautet Wampolds Fazit. Doch auch den "perfekten
Therapeuten" an sich gibt es nicht. Sein Erfolg hängt davon ab, inwieweit
sein Gegenüber, der Patient, bereit ist, mit ihm zu arbeiten.
Veröffentlicht am 20.08.2004.
Text aus:
Der Tagesspiegel
(Berlin), 20.08.2004. Kast, Bas: Gesundheit: 'Der Graben ist größer
denn je' – Psychotherapeuten streiten darüber, welche Methode von
der Kasse bezahlt werden soll.
Vers. 2004.08.20: Bürgerkrieg – Psychotherapie im Schulenstreit der Psychotherapeuten