ABARIS Angstambulanz ℠
Presse
Lebensglück durch kognitives Coaching ohne Krankheits-Stigma der Psychotherapie
Berliner Morgenpost
06.08.2005
Der schnelle Weg zum Lebensglück
Von Gerlinde Schulte
Dieses Interview der Morgenpost-Redakteurin Gerlinde Schulte mit Diplom-Psychologe, Psychotherapeut und Coach Dietmar Luchmann von der ABARIS Angstambulanz℠ in Stuttgart wurde unter dem Titel "Die Ratgeber-Autoren verkaufen Illusionen" in der Tageszeitung "Berliner Morgenpost" am 06.08.2005 erstmals veröffentlicht. Das Interview erschien zusammen mit einem Artikel, in dem "Der schnelle Weg zum Lebensglück", den viele oberflächliche Ratgeber-Bücher ihren Lesern verkaufen, kritisch hinterfragt wird.
Es könnte alles so schön sein. Wer möchte nicht selbstbewußt, attraktiv
und glücklich durchs Leben gehen? Dazu noch eine erfüllte Partnerschaft
und Erfolg im Beruf... Die Wirklichkeit sieht häufig anders aus. Immer mehr
Menschen drehen sich beruflich im Hamsterrad, scheitern in ihren Beziehungen,
fühlen sich gestreßt und überfordert. In den USA gibt es dafür seit Jahren
Hilfe. Mit Life Coaching stehen professionelle Trainer längst nicht nur
Managern und Geschäftsleuten bei der Organisation ihres Lebens, der Formulierung
ihrer Ziele und dem Verständnis ihrer Beziehungen zur Seite. Denn häufig
liegen die Ursachen für Probleme im Job bei Schwierigkeiten in der Lebensführung.
In Deutschland setzt sich der Gedanke, daß Privatpersonen auf eigene
Kosten professionelle Lebens-Hilfe in Anspruch nehmen, erst langsam durch.
Life Coaching ist eher auf dem Buch- und Ratgebermarkt ein Begriff und steht
dort für eine Art Instant-Lebensberatung. Immer mehr Autoren versprechen
in Crash-Kursen Anleitungen zum schnellen Glück.
Man muß sein Schicksal
nur in die Hand nehmen, aktiv werden und die richtige - positive - Haltung
einnehmen, dann ist alles drin, suggerieren Bücher wie "Der Weekend
life coach" - ein glückliches Leben in 48 Stunden, "Salto Vitale"
- in 24 Stunden in ein neues Leben starten oder "Tu was" - 10-Minuten-Strategien
für ein neues Ich. Es gilt an einem entspannten Wochenende oder in einer
ruhigen Minute mit dem innersten Ich auf Tuchfühlung zu gehen, um sein Leben
zielgerichtet zu einem glücklichen Dasein zu verändern. Unterstützt von
mehr oder weniger ausführlichen Übungsanleitungen raten sie dazu, über Haltungen,
Motivation und Ängste nachzudenken. So soll man seine Verhaltensmuster erkennen,
Ziele abstecken, Ballast abwerfen, Zeiträuber ausschalten, Zweifel ab- und
Selbstbewußtsein aufbauen.
Sonst noch was? Kann man sich selbst überhaupt
so schnell erkennen und verändern? Durch schiere Willenskraft plötzlich
Zuversicht statt Unsicherheit ausstrahlen? Mit der Ratgeber-Lektüre ist
es nicht getan. Ohne den Blick eines geschulten Coaches oder Therapeuten
auf das Individuum in seinem Beziehungsgeflecht ist eine Veränderung schwierig,
erläutert der Life-Coach, Psychologe und Psychotherapeut Dietmar Luchmann
im untenstehenden Morgenpost-Interview.
Was bleibt ist eine meist
flockige Lektüre, die einem durchaus den einen oder anderen Kick verschaffen
kann. Oder auch eine kleine Auszeit zum Nachdenken über sich selbst. Im
besten Fall schärft sie die Sinne dafür, wo die eigenen Probleme liegen
könnten, um sie dann aktiv anzugehen. Denn darüber läßt keine der Selbstbewußtseins-Expertinnen
einen Zweifel: Für alles was man tut oder unterläßt trägt man immer selbst
die Verantwortung - und die sollte man unbedingt übernehmen.
Die Ratgeber-Autoren verkaufen Illusionen
Life Coaching ist als Hilfe zur persönlichen Lebensführung die intelligente
Alternative zur Psychotherapie, sagt Dietmar Luchmann im Interview mit Redakteurin
Gerlinde Schulte. Allerdings sei es allein mit netten Sprüchen in Ratgeber-Büchern
nicht getan. Ohne die konkrete Arbeit mit einem erfahrenen Coach oder Therapeuten
seien das Erkennen und eine Veränderung von eingeschliffenen Verhaltensmustern
kaum möglich.
Interview
Herr Luchmann, was ist Life Coaching?
Life Coaching bezeichnet
die professionelle Beratung bei der persönlichen Lebensführung. Für Firmen,
Sportler oder Politiker ist es schon lange selbstverständlich, sich psychologisches
Know-how einzukaufen und professionelle Ratgeber zur Leistungs- und Wirkungssteigerung
in Anspruch zu nehmen. Doch man muß nicht prominent sein, um die Erkenntnisse
der sozialen und der psychologischen Wissenschaften zur Gestaltung des Lebens
und zur Problembewältigung, also zur Förderung von persönlichem Glück und
Erfolg zu nutzen. Life Coaching ist damit die intelligente Alternative zur
Psychotherapie. Denn trotz aller Probleme, die ein Hilfesuchender haben
kann, ist Life Coaching nicht mit dem Stigma der psychischen Krankheit behaftet.
Woher kommen die Probleme?
Die Entwicklung ist unübersehbar:
Das soziale Klima wird immer rauher, die Vereinzelung nimmt zu, die Menschen
begegnen sich mit immer mehr Mißtrauen und Aggression. Der moderne Mensch
ist beruflich wie privat immer stärker gefordert und überfordert –
bis er irgendwann zusammenbricht. Life Coaching ist lösungs- und zukunftsorientiert.
Es wirkt im besten Sinne präventiv, es will zum Leben ertüchtigen und nicht,
wie es häufig in der Psychotherapie vorkommt, das Versagen erträglicher
machen.
Haben wir denn verlernt zu leben?
Ja, das ist
eines der großen gesellschaftlichen Probleme. Die sozialen Beziehungen sind
dramatisch geschrumpft, es gibt keine Großfamilien mehr mit ihren unterschiedlichen
Ansprechpartnern, die früher viele Beanspruchungen abzufangen und Probleme
zu lösen geholfen haben. Auch Lehrer und Dozenten bieten keine wirklichen
Vorbilder mehr. Früher brauchte man keinen Coach. Man hatte die Weisheit
der Älteren in der eigenen Familie. Heute haben Menschen sehr viel weniger
Möglichkeiten, das Leben zu lernen, weil Bezugspersonen und Führung ebenso
fehlen wie ein brauchbares Wertesystem. An dieser drängenden Sinnsuche,
dem Bedürfnis nach Führung und dem Wunsch nach Problemlösungen verdient
die Ratgeber-Welle prächtig. Bücher, die ein neues und besseres Leben in
wenigen Tagen oder Stunden versprechen, erregen Aufmerksamkeit, weil ihre
Titel den Hunger der Käufer nach Lebenssinn ausbeuten. Jeder will glücklich
sein und das möglichst schnell.
Wenn man bedenkt wie schwer es
ist, seine eigenen Verhaltensmuster überhaupt zu erkennen, inwieweit ist
es dann realistisch, Lesern ein "neues Leben" in kurzer Zeit zu
versprechen?
Überhaupt nicht. Wenn jemand 20 oder 30 Jahre lang
bestimmte Denk- und Verhaltensmuster praktiziert hat, dann ist das eingeschliffen
und automatisiert. Diese Lerngeschichte ist im Gehirn in Milliarden Verknüpfungen
zwischen den Nervenzellen materiell verfestigt, das kann man nicht einfach
mit Autosuggestion wegbeschließen. Es ist Bauernfängerei, einem Menschen
zu sagen, er müsse sich ändern, ohne ihm das Werkzeug hierfür zu geben.
Der Selbsterkenntnis steht oft die "Betriebsblindheit" für die
eigene Lerngeschichte im Weg. Wer sich nur auf eine bestimmte Weise erlebt
hat, wird seine Denkfehler meist als normal empfinden. So klingt es zwar
schön zu lesen: "Übernimm die Führung für dich selbst." Das Problem
dabei ist, daß der Betroffene genau dies meist nicht gelernt hat. Deshalb
sind solche Empfehlungen, auch wenn einige Sprüche stimmen mögen, wenig
hilfreich.
Was können solche Ratgeber leisten?
Man
kann den Effekt ähnlich sehen wie die Lektüre des Horoskops. Jeder kann
Elemente finden, die ihn ansprechen oder ihm Aha-Erlebnisse bescheren, sie
als interessant oder hilfreich empfinden. Wo aber seine tiefer liegenden
Probleme herrühren, kann ein Laie meist gar nicht beurteilen. Deshalb kann
ihm eigentlich nur ein erfahrener Psychotherapeut oder Coach einen langen,
oft in die Irre führenden Weg ersparen.
Think positive: Kann man
negative Energien so einfach in positive umwandeln? Von: "Ich glaube
nicht an mich selbst" - zu: "Ich glaube an mich selbst!"
Funktioniert Autosuggestion nach dem Motto "täusche es vor, bis es
echt ist"?
Nein. Man kann sich nicht auf Dauer erfolgreich
einreden, man sei ein Adler, wenn man eine Taube ist. Den Lesern mit platten
Ratschlägen zu suggerieren, sie könnten alles, wenn sie nur wollten, ist
nicht nur oberflächlich, sondern auch schädlich. Die Leute probieren es
aus und scheitern. Autosuggestion funktioniert im Alltag nicht, die Realität
holt die Menschen immer wieder ein. Indem die Ratgeber-Autoren Illusionen
verkaufen, verschleppen sie Problemlösungen – wo doch eigentlich der
Betroffene eine individuelle Handanweisung braucht, mit sich und der Welt
um sich herum besser umzugehen.
Es geht in den Ratgebern besonders
um Selbstbewußtsein, Selbstachtung und Selbstverantwortung, und darum, eigene
Ziele und Wünsche zu formulieren. Sind das die zentralen Probleme der Menschen
heute, die nur noch im Hamsterrad funktionieren?
Offenkundig.
Das Problem von Selbstbewußtsein erklärt bereits der Begriff: sich des eigenen
Selbst bewußt sein bzw. werden. Hierzu gehört, die eigenen Talente und Begabungen,
aber auch die Andersartigkeit, Schwächen und Defizite zu erkennen. Selbstachtung
wiederum entsteht nur, wenn man dieses eigene Selbst als wertvoll, als achtenswert
empfinden kann. Und genau daran scheitern viele Menschen, weil sie sich
in diesem Wahnsinn gefangen sehen, in immer kürzerer Zeit immer mehr und
immer bessere Leistungen zu bringen. Denn die heutige Mode hat als Modell
die Illusion von einem Supermenschen geschaffen, der schön, klug, sozial
angepaßt und immer leistungsfähig und erfolgreich ist.
Es ist schon
für einen gereiften Menschen eine Herausforderung, sich davon zu lösen und
aus dem Bewußtsein der eigenen Fähigkeiten und Begrenzungen die Sicherheit
zu entwickeln, in einem Chaos der Verführungen und Verfremdungen zu überleben.
Und so fehlt es mangels überzeugender Modelle nicht nur unter jungen Menschen,
sondern in unserer Gesellschaft generell an der Fähigkeit und Bereitschaft,
für sich selber Verantwortung zu übernehmen.
Wie sollte ein Life
Coaching aussehen?
Wie eine vernünftige psychotherapeutische
Arbeit. Ziel eines seriösen Coachings ist es, dem Klienten zu helfen, die
Realität um sich herum so zu verstehen, wie sie ist, und möglichst gut mit
seinen eigenen Ressourcen darin klarzukommen. Hier ist die sehr konkrete
und fachlich fundierte Arbeit mit dem einzelnen Individuum und seiner individuellen
Lebensgeschichte, seinen besonderen Talenten und Defiziten gefragt. Ein
guter Coach führt seine Klienten zur optimalen Entfaltung ihrer Potentiale.
Er hilft, Ziele und Prioritäten zu klären und geeignete Strategien zu finden,
um diese Ziele zu erreichen. Das geht nicht allein über Bücher.
Veröffentlicht am 06.08.2005.
Text aus:
Berliner
Morgenpost, 06.08.2005. Schulte, Gerlinde: Der schnelle Weg zum
Lebensglück. [Interview mit Psychotherapeut Dietmar Luchmann.]
Vers. 2005.08.06: Lebensglück durch kognitives Coaching ohne Stigma der Psychotherapie